Der Penis lügt nie: schwulbuch.wordpress.de

Notizen aus einem schwulen Leben


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Celine Dions G-Punkt und Ich-Botschaften

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Ein Unterschied zwischen den Geschlechtern ist meiner Meinung nach das Verhältnis zum Sex und welche Voraussetzungen für den Tanz der Tänze gegeben sein müssen. Aus persönlicher Erfahrung weiß ich, dass ich auch mit Männern tollen Sex habe, die ich nicht leiden kann. Als Reaktion auf diese Information erhalte ich von weiblichen GesprächsteilnehmerInnen meist eine hoch gezogene Augenbraue.

Na gut, meistens bemerke ich die Abneigung erst hinterher, als sich vorhin zum Beispiel mein Hotel-Besucher in Atlanta als Trump-Supporter outete, während er seine Hose wieder anzog. Autsch. Vorher hatte die Hormon-Brille für eine entsprechende Fokussierung meiner Aufmerksamkeit gesorgt und die unsympathischen Teile ausgeblendet. Und wichtige betont.

Ich glaube eine Ausnahme meiner These vom voraussetzungsarmen männlichen Sex-Drive ist die Tatsache, dass ich mit Celine Dion nicht unbedingt schlafen möchte. Weniger weil sie mir unsympathisch wäre, es ist einfach nicht meine Art von Musik, etwas zu soft. Und auch wenn ich gleich von Celine-Fans unsoft verkloppt werde, so haben ihre Songs für meinen Geschmack immer etwas von Weichzeichner und zu viel Photoshop.

Eine Bestätigung meiner These hingegen war neulich ein Besuch in Tel Aviv. In dieser Stadt gewordenen Unterwäsche-Model-Flatrate fand ich so viele Typen heiß, dass meine Kolleginnen schon schmunzelten. Und die vielen Männer konnte ich unmöglich alle mögen. Die meisten blickten auch nicht gerade soft, und ich fand sie deswegen vielleicht sogar noch etwas geiler.

Etwas weniger geil fand ich einen Chat mit einem durchaus heißen Israeli, der meinte, er wäre horny und ein bisschen high. Mit dieser Nachricht einen Chat zu eröffnen, irritierte mich. Ich habe dann auch nicht mit ihm geschlafen. Beim Thema Drogen neige ich eh zum Verhalten eines 13-jährigen Teenagers. Ich möchte cool sein, aber es gelingt mir nicht so recht. Also fragte ich etwas unbeholfen, was ihn denn high machte und hoffte auf eine unerwartet berauschende Wirkung meiner neuen Nacktfotos oder zumindest eines Joints. Doch er schrieb nur G.

Nun weiß ich nicht mal, was G bedeutet – und ehrlich gesagt interessiert es mich auch nicht besonders. Um andere Vorlieben dadurch nicht zu entwerten, muss ich an dieser Stelle wohl wie bei der Bewertung von Celines Musik zu einer klassischen Ich-Botschaft greifen: Drogen und Sex haben für mich ein ähnliches Verhältnis zueinander wie Geld und Sex. Für manche gehört es zusammen, für mich beschädigt das eine das andere. Und meistens ist es der Sex, der geschmälert wird. Denn ist Sex nicht gerade deshalb etwas unglaublich Schönes, weil es manchmal so geil ist, dass man die Hemmungen verliert? Es mag der einfachere Weg sein, sich vorher diese Hemmungen chemisch zu zerschießen. Aber im Leben ist die Abkürzung oft weniger befriedigend, weil es doch die Anstrengung ist, die den Lohn definiert.

Guter Sex, so wie ich ihn z. B. heute nacht mit Mr. Trump-Supporter hatte, besteht für mich darin, dass die Chemie zwischen beiden stimmt, die Rauferei auf den Laken heftiger wird, man sich langsam steigert, weil man merkt, dass da etwas zwischen beiden passt, wenn Botenstoffe und Rezeptoren miteinander kopulieren. Und wenn dann die Sicherungen raus fliegen. Dafür müssen die Sicherungen jedoch erst mal drin gewesen sein.

Komischerweise dachte ich nach der „G“-Antwort, dass meine einzige Droge Musik ist (in törichter Realitätsverkennung, dass meine E-Zigarette mittlerweile ein häufigerer Gast in meiner Hand ist als mein Smartphone oder mein Penis).

Und in der berauschenden Wirkung von Musik auf meine Stimmung sticht ein Lied besonders hervor. Alle Mann festhalten: Es ist Celine Dions A new day has come. Eine Schnulze, die mich zu einem wehrlosen 13-Jährigen macht. Ich möchte es eigentlich nicht gut finden, aber Celine fängt an, ihren sanften Song zu trällern und eine unsichtbare Hand schraubt an meinen emotionalen Sicherungen. Und während die kanadische Goldkehle sich dem hohen G-Punkt entgegen singt, werden meine Augen feucht und eine Euphorie stellt sich ein, wie beim Sonnenaufgang auf einem harten Nachtflug, wenn das Ende der Reise absehbar ist und die Heimat mit der warmen Umarmung meines Mannes naht.

Und vielleicht ist auch das ein Unterschied zwischen den Geschlechtern: Frauen wissen einfach besser, dass der Blick eines geliebten Menschen, das, was „all in the eyes of a boy“  ist, genauso euphorisierend sein kann wie G oder lakenzerraufendes Sicherungsziehen. Und sie machen sogar noch tolle Lieder daraus, denn scheiß drauf: Ich liebe dieses Lied!

Heute, einen Tag bevor die Toupet gewordene Ablehnung von Diversität Präsident der Vereinigten Staaten wird, ist es vielleicht umso wichtiger zu zeigen, dass Unterschiede dazu da sind, um voneinander zu lernen. Und das ist keine Ich-Botschaft. Es ist eine Aufforderung an meine geistigen Brüder, Schwestern und Unentschlossene, in den uns bevorstehenden dunklen Zeiten mit Trump, Le Pen, Höcke und Petry Kurs zu halten für die Vielfalt. Denn irgendwann kommt ein neuer Tag.

 

PS: Ist das Unterwäsche-Model im Video ab Minute 1:25 nicht der Knaller?


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Flow Job

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Die Party ist vorbei. Das schrieb neulich ein Kommentator unter einen Beitrag in einem Forum für Windows-Mobile-User. Und er hatte Recht.

Distinktion ist ein Verhalten, bei dem Menschen Aufwand auf sich nehmen, um sich von der Masse abzugrenzen, und sich selbst und anderen zu demonstrieren, dass sie sich  von ihnen unterscheiden. Und zugegeben, meine Entscheidung gegen ein iPhone oder Android-Modell  und für ein Windows Phone, hatte etwas mit Distinktion zu tun. So wie mein Wunsch, nicht auch noch meine Nacktbilder, meine Bewegungsmuster und mobilen Suchanfragen Google in den Deepthroat zu werfen (was ich vermutlich trotzdem tue).

Ein entscheidendes Kriterium beim Handykauf war natürlich, dass auch auf der Windows-Plattform Grindr zu Verfügung steht. Und so wie es zum Charakter des gelben Olymps der Marktkonformität passt, gab es natürlich von Grindr selbst keine App für dieses Nischen-Betriebssystem. Aber es fanden sich pfiffige Entwickler, die eine entsprechende Anwendung programmierten und das Fenster in die gelbe Welt auch für Windows User öffneten.

Bis irgendwann vor einigen Tagen die erste Fehlermeldung kam. Das passierte nicht zum ersten Mal. Aber als ich auch nach Stunden nicht online gehen konnte, stellte sich ein erstes Zittern der Hände ein. Mein Penis war auch schon ganz ängstlich. Entsprechende Suchen im Deepthroat brachten auch keine Meldungen über Serverausfälle von Grindr. Und die Gegenprobe auf dem Handy meines Freundes brachte den Beweis: Grindr funktionierte, nur meine App nicht mehr.

Ich habe eine Nachbarin, eine sehr kluge Frau, die mir einst erzählte, dass sie mit Hilfe von Tai Chi-Übungen ihren Drucker wieder zum Laufen brachte. Und auch ich habe schon die Beobachtung machen müssen, dass technische Geräte sehr wohl den Zustand ihrer User reflektieren. Gestresst „nur mal schnell“ etwas ausdrucken oder per Bluetooth übertragen zu wollen, führt in der Regel zielsicher zu Papierstau, Fehlermeldungen und Wünschen nach Updates. Der Flow ist gestört. Und meine Nachbarin brachte durch gezielte Bewegungen ihren Flow wieder in Ordnung: Und siehe da, der Drucker spuckte das gewünschte Dokument aus.

Um es kurz zu machen, auch eine Woche mit täglichen Sonnengrüßen vor meinem Telefon brachte keine Besserung. Ich war noch immer offline. Und mit der Mitteilung der App-Entwickler auf Twitter,  dass Grindr seine Sicherheitsarchitektur grundlegend geändert hat und nun kein Zugang mehr möglich ist, war klar: Die Party ist vorbei.

Und nun habe ich als schwuler Mann ein Handy ohne Grindr. Das ist so, als hätte ich einen HD-Fernseher, mit dem ich keine Pornos gucken, sondern nur noch Radio hören kann.

Und soll ich Ihnen was sagen? Es ist in Ordnung. War früher der Gedanke, dass ich meine Tage und Nächte in fremden Hotelzimmern ohne Room Service verbringen soll, so beängstigend wie eine Präsidentschaft Donald Trumps, so gewöhne ich mich langsam daran und entdecke die Vorteile, die ein erzwungener Verzicht haben kann. Statt ständig aktualisieren zu drücken und mir einzureden, dass ich nun jetzt aber in zehn Minuten endlich offline gehe, unternehme ich mehr mit meinen Kollegen. Und das fühlt sich gut an. Distinktion heißt eben nicht nur etwas zu tun, sondern auch etwas zu lassen.

Und es war bitter nötig, denn Grindr ging mir in der letzten Zeit ganz schön auf die Nerven.

Manchmal ist es eben das Universum, das die Bewegungen macht, um meinen Flow wieder in Ordnung zu bringen.


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Ducking oink!

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Ich bin ein Mann. Da gibt es wohl wenig, was ich öfter in der Hand habe als meinen Penis. Mein Handy zum Beispiel. Ein Vorteil moderner Handys ist, dass sie es leicht ermöglichen, den Penis in meiner Hand auszutauschen, oder meinem Penis neue Hände vorzustellen. Ob das im Vergleich zu traditionellerem Balzverhalten ein Fortschritt ist, sei dahingestellt, aber bei einem Jetsetter wie mir, ist das GPS-gestützte Männeranpeilen allemal komfortabler als Taxifahrten durch fremde Städte mit einem 2 kg schweren Spartacus Reiseführer auf dem Schoß zu möglicherweise überholten Location-Einträgen mit unklarem Besucheraufkommen.

Der Fortschritt hat aber nicht nur Vorteile. So hat mein Handy zum Beispiel die unangenehme Eigenschaft, bei den automatischen Wortvorschlägen etwas bevormundend zu sein. Es waren die schwulen Apps zur internationalen Völkerverständigung, in denen ich das Wort „Ducking“ kennen lernte. Ich weiß bis heute nicht, was es heißt – bestimmt nichts Versautes. Es brauchte einige Zeit, bis mein Telefon mich gut genug kannte, um zu begreifen, dass ich keine Ente bin, sondern ein schwuler Mann.

Dann allerdings beflügelt es wiederrum überraschend meine Chats. So versandte ich neulich aus Versehen ein „Oink!“ statt eines sittsamen „Hi!“s. Vielleicht durchschaut mich mein Telefon mittlerweile besser als mir bewusst ist und sagte sich: „Ach komm schon, Du Sau, geh heute mal gleich in die Vollen!“, und ersparte mir so das übliche präorgasmische stundenlange Rumgeplänkel über Wetter und Jetlag, bevor Mann sich endlich den wichtigen Dingen widmet, die es in die Hand zu nehmen gilt.

Ich glaube ja, dass Irritationen immer gut sind, z. B. wenn mein Telefon wiederholt statt „eigentlich“ das Wort „Ehebruch“ einfügt. Dann halte ich immer kurz inne.

Damit unterbricht mein Handy so manch heiß gelaufenen Chat und ermöglicht beiden Teilnehmern eine Atempause, in der ich mich für irgendeine kryptische Chatantwort („nett, dich leben zu lernen“) entschuldigen muss und auf meine „ducking autocorrection“ verweisen muss.

Bemerkenswert ist dabei, wie amerikanische Konzerne es mit den Irritationen übertreiben und dazu neigen, ihre moralischen Vorstellungen ihren Kunden aufdrücken zu wollen: gesperrte Brüste bei Facebook, nackedeifreie Gayromeo-Apps bei Android und eine Hautzensur bei Apple, die Nordkorea wohl zwinkernd anerkennen würde. Will Microsoft als Hersteller meines Smartphones aus mir vielleicht einen – nach seinen Vorstellungen – treusorgenden und wohlerzogenen Ehemann machen, wenn mein Wörterbuch bestimmte eindeutige Wörter oder Schimpfvokabeln partout nicht erlauben will? Das Wort „Schranz“ zum Beispiel muss ich immer wieder mit der freien Hand korrigieren. Es ist auch nicht möglich, die korrigierte Version in mein Wörterbuch einzufügen. Und dabei weiß auch hier nicht mal, was „Schranz“ bedeutet.

Die Häufigkeit, mit der mein Telefon moralisch urteilend in meine Konversationen eingreift, überrascht mich jetzt, wo ich darüber nachdenke. Und ich frage mich „Am is bad pain?“ („Am I a bad person?“)

Und die Antwort lautet „Neun!“

Ich finde es moralisch verwerflicher, anderen Menschen durch eine von ihnen nicht beeinflussbare und heute unverzichtbare Infrastruktur das eigene Weltbild unerbeten aufs Auge zu drücken. Und das Argument mit dem Schutz der Kleinen ist so vorgeschoben wie Donald Trumps Pony: Wenn überhaupt irgendjemand genau weiß, wer vor dem Telefon sitzt, dann dürften es doch Apple, Google und Microsoft sein.

Und in meinem Fall ist es halt ein schwuler Mann, der Ehebruch begeht, trotz dem er den tollsten Mann der Welt liebt, der gerne Schranzbilder betrachtet und der öfter mal „Oink!“ sagt und meint – und dies für eine gute Sache hält, weil er damit glücklich ist.

Ein kluger Psychologe hat mir einmal erklärt: Es gibt Mütter, die stillen einfach weiter, obwohl das Kind längst satt ist. Genauso fühlt sich der unerwünschte Busen der Moral an, den mir die einflussreichsten Internetkonzerne vor den Mund halten. Brüste fand ich als Baby ganz toll, aber mittlerweile bin ich darüber hinaus gewachsen und habe das Interesse verloren.

Oder in der Sprache der technologischen Moralwächter und Prudisten ausgedrückt: Duck you und leckt mich am ätsch!